INTRODUCING OLIVIA

OH BABY O.
Es war ein herrlicher Herbsttag. Ein Donnerstag. Der 24.10.2019. Alles war wie sonst.
Der Wecker läutete um 6.15 Uhr. L. liegt zwischen uns. Wie fast jede Nacht kam er kuscheln.
Aufgestanden sind wir nach 1x snoozen um 6.30 Uhr. Ich richte L. etwas zum anziehen her, gehe mit G. hinunter, Frühstück machen. Gemütlich sitzen wir beisammen, erzählen, frühstücken, schauen die Wetter App an und machen uns Tag-Fertig.
G. bringt, wie meistens L. in die Schule. Ich räume das Frühstück weg, mache die Betten, beschließe noch ein bisschen die Küche mit dem Handstaubsauger vom “gröbsten” zu befreien bevor ich mich auf den Weg mache.
Ich bin eingeladen. Bei einer lieben Freundin im 23. Bezirk. Also doch eine gute Fahrt aus dem 3. Bezirk. Dort angekommen rufe ich meine Mami an – die auch eingeladen ist. Ich warte vor der Haustür auf sie und wir läuten gemeinsam an.
Sie hat frisches, eingekochtes Sugo in der Hand, ich Energy Bliss Balls. Als Gastgeschenk. Kathi macht die Tür auf, wir begrüßen uns , legen ab und gehen in die Küche. Sie hat herrliches Frühstück nach einem Rezept von Deliciously Ella gemacht. Hmmm ich freue mich schon drauf.
Wir stehen zu Dritt da, trinken mal ein Glas Wasser und plaudern. Als Kathi meiner Mami eine “Haus-Tour” anbietet, ich einen Schritt nach vorne mache, macht es Platsch. In meiner Hose. Ich schaue beide an und sage grinsend “Oh Oh”! …
Kathi fragt mach: “was los? Fruchtblase??”
Ich schüttel den Kopf, “ich befürchte ich blute wieder!” … denn ca. 2 Wochen davor, musste ich an einem Mittwoch Abend schon mal mit starken Blutungen ins AKH. Ich hatte ja Diagnose “Placenta Praevia Totalis”.
Wir gehen zu Dritt in Richtung Klo. Da Kathi immer noch keine Klotüre installiert hat, stehen beide, sie und meine Mami in der Türöffnung und schauen entsetzt zu mir rüber. Ich ziehe meine Hose runter, ein See aus Blut. “Scheisse, nicht schon wieder” denke ich mir laut.
Ich setzte mich vorsichtig auf das Klo und ziehe meine Hose aus! Bitte Kathi um eine Binde, eine frische Unterhose und Leggings … doch wir haben nicht unbedingt die selbe Kleidergröße und so sitze ich da. Blutend, nackt unten rum. Ohne Wechselkleidung.
Die Blutung wird immer ärger, Koagel gehen immer wieder mit ab. Meine Mami ruft G. an, der steht vor Gericht und hat gleich eine Verhandlung. Best timing ever! Also rufen sie die Rettung!
Diese ist 10 Minuten später da. Zu dem Zeitpunkt liege ich am Boden, auf einem Handtuch mit 2 Kinderwindeln zwischen den Beinen. Immer noch stark blutend. Ich versuche mein Baby zu spüren, in mich zu horchen ob es ihr gut geht. Bin aber, im Gegensatz zu meiner Mami und Kathi ganz ruhig und gelassen.
In der Zwischnzeit ruft meine Mami noch einen lieben Freund von uns an, Prof. Heinrich Husslein Junior, schildert ihm die Situation, da er auch zwei Wochen zu vor sich um alles gekümmert hat, bzw. meine Situation kennt.
Wir erklären der Rettung sie soll mich bitte ins AKH bringen, dort würde man bereits auf mich warten. Die zwei netten Herren verfrachten mich, immer noch nackt unten rum, auf ihre Trage, decken mich zu und transportieren mich ab. Meine Mami immer an meiner Seite!
Der Weg ins AKH fühlt sich ewig an, ich bin immer noch ruhig – hätte aber dann schon ganz gerne eine CTG gehabt um die Sicherheit zu haben, dass es meinem Baby gut geht. Versuche sie immer wieder zu spüren. Mein Bauch fühlt sich flacher, leerer an als sonst. Ich mache mir noch keine Sorgen, rede mir innerlich immer wieder gut zu.
Endlich im AKH angekommen, erwartet mich eine Hand voll Ärzte. Studenten und Assistenzärzte. Ich komme ich einen Kreißsaal und werde untersucht. Sie legen mir schmerzhafte Zugänge, da meine Venen schwer ersichtlich sind und machen einen Ultraschall, sowie eine vaginale Untersuchung. Ich schreie vor Schmerzen. Zwei Assistenzärztinnen stehen bei meinem Kopf und streicheln mir die Schulter.
Meine Mami steht vor dem Kreißsaal, bekommt von dem, hoffe ich, nichts mit, sie macht sich schon genug Sorgen. Als die Untersuchung endlich vorbei ist, geht die Türe auf und ich sehe G. Endlich! Er ist da.
Sie schieben mich von einem Zimmer ins nächste. Wieder ein Kreißsaal. Größer, besser ausgestattet. Sie schließen mich ans CTG an, ich bekomme die Lungenreifespritze, Teil 1, diverse Infusionen und muss 4 Stunden liegen.
In diesen 4 Stunden weicht G. mir nicht von der Seite. Eine sehr nette Schwester bringt mir 2x die Bettpfanne. Auch eine neue Erfahrung – die ich mir, ehrlicherweise wesentlich schlimmer vorgestellt habe …
Der behandelnde Arzt kommt rein, bespricht mit uns die Lage. Sie würden mir gerne in 2 Tagen die zweite Lungenreifespritze verabreichen, sprich ich checke heute ein, bleibe zur Beobachtung und sie holen dann unser Mädi am Montag per Kaiserschnitt.
Kaiserschnitt stand ja schon ziemlich lange im Raum und seit einigen Wochen auch schon fix-fertig fest. 11.11.2019 um 13.30 Uhr wäre es gewesen. Im Goldenen Kreuz. Zusammen mit meiner Gyn – Dr. Marion Rankine und meiner Hebamme – Angelika Lessiak.
Wir hatten alles geplant. Alles besprochen. Wie die perfekte Geburt für uns ablaufen sollte. Wie wir es so natürlich für Baby und uns gestalten können. Tja, dieses, wurde in der Sekunde über Board geworfen.
Ok, also 28.10.2019 zwischen 8.00 Uhr Früh und 14.00 Uhr Nachmittags würde unsere Tochter auf die Welt kommen. Es wurden Telefonate mit G.´s Büro geführt, Pläne zur Abholung Schule geschmieded. Mami und Papi eingeteilt … wir mussten schnell handeln und alles unter Dach und Fach bekommen.
Zum Abschluss meines 4 stündigem CTG bekam ich zur Sicherheit noch Wehenhemmer und wurde auf mein Zimmer gebracht. Leider ein Doppelzimmer. Dort angekommen duschte mich G. einmal ordentlich. Mein Körper war überseht mit eingetrocknetem Blut bis zu den Zehen … er zog mir ein Nachthemd an und verfrachtete mich wieder ins Bett. Ich bekam netterweise ein Abendessen – Haferflocken Suppe, ein paar Kartoffeln und ein Glas Wasser dazu.
G. saß bei mir am Bettrand. Es war viel zu verarbeiten. Aber wir blickten beide vergnügt in Richtung Montag. Da würden wir dann unser Mädi endlich in Armen halten. Etwas früher als geplant. Aber Hauptsache gesund – wir beide. Alles andere war egal.
Kurz darauf kam meine Zimmerkollegin, die schon vor mir eingezogen war, mit ihrem Mann hinein. Wir stellten uns vor, lächelten uns an und widmeten uns wieder unseren Männern. Gegen 18.00 Uhr “befiel” ich Georg nach Hause zu fahren. Unser Sohn würde ihn dringender zu Hause brauchen als ich ihn jetzt hier. Ich würde eh demnächst schlafen gehen. Ich war müde. Es war ja alles sehr aufregend.
Als der Mann meiner Zimmerkollegin auch ging, stellten wir uns nochmals vor und begannen zu plaudern. Wir waren beide in der gleichen SSW. Wollten ursprünglich beide im GK entbinden. Nun waren wir hier. Sie voraussichtlich 3 weitere Wochen. “Zach” dachte ich. Die Arme.
Wir unterhielten uns über Serien. Schwangerschaftsverlauf und was man halt so bespricht in einem Krankenhaus Zimmer. Draußen wurde es langsam dunkel und ich beschloss noch auf die Toilette zu gehen und dann Zähne zu putzen.
Toilette und Dusche waren in einem abgetrennten Raum in unserem Zimmer, hinter unseren Betten. Das Waschbecken bei uns im Zimmer. Als ich aus der Toilette kam, stand grad eine Schwester bei meiner Zimmerkollegin und schloss sie ans CTG an. Ich schaute kurz zu ihr rüber und sagte “ich blute wieder. Es ist auch ein Koagel abgegangen.”
Ich nahm meine Zahnbürste in die Hand, fing zu putzen an und sie drehte sich zu mir an und sagte “ich schaus mir gleich an!”. Als ich mit dem Zähneputzen fertig war, ein letztes Mal gurgelte und zwei Schritte in Richtung mein Bett ging, lief mir das Blut schon die Beine hinunter und ich stand innerhalb von Sekunden in einem See meines Blutes …
Die Schwester “alamierte” weitere Schwestern und Ärzte, ich schaute zu meiner Zimmerkollegin und sagte nur “es tut mir so leid, dass Du das sehen musst!” und kletterte in mein Bett.
Die Ärzte kamen rein und schoben mich mit dem Bett aus dem Zimmer. Ich hielt mein Telefon in Händen und versuchte G. zu erreichen. Er hob nicht ab. Dann rief ich meinen Vater an, der wohnt neben uns, der hob auch nicht ab. Zuletzt versuchte ich meine Mami. Die hob ab! “Hallo Schatzi, was gibts?”
“Mami, bist Du noch bei uns zu Hause? Sag G. er soll losfahren, sie schieben mich grad in den Kreißsaal.!” Ihre Antwort hörte ich schon gar nicht mehr. Ich legte auf und gab einer Schwester das Telefon in die Hand.
Dann passierte alles sehr schnell. ich fühlte mich wie ein Schauspieler in einer Greys Anatomy Folge. Auf meine Blut überströmten Beine wurden mir Thrombose Strümpfe gezogen. Alles war etwas dunkel in dem Raum. Der Anästhesist klärte mich auf, ich unterschrieb und plötzlich sagte die Ärztin – schon in ihrem OP Gewand – “Frau Rüling, wir können leider nicht mehr auf ihren Mann warten! Wir holen das Baby jetzt!”
Gefühlte Sekunden später lag ich im grellen OP Saal. Mein Nachthemd wurde mir runtergeschnitten, ich wurde aufgesetzt, eine entzückende Hebamme mit weicher Stimme hielt mir vorne die Hände. Es wurde mir befohlen den Rücken ganz rund zu machen damit sie die PDA setzen können.
Ein Schmäh ging noch meinerseits, um die Stimmung etwas zu lockern, “runder wirds nicht” sagte ich, “ich habe Skoliose” fügte ich noch dazu. Ich bilde mir ein ein leises Schmunzeln der anwesenden wahrgenommen zu haben. Da war die PDA auch schon wieder fertig – ein Traum – ich wurde wieder hingelegt und kurz darauf fing mein Körper schon zu ruckeln an.
Ich atmete stark in meine Atemmaske und konzentrierte mich auf mich. Schloß immer wieder die Augen, ich war so müde. Mir war so flau. G. war noch immer nicht da. Doch ich dachte, GsD muss er das nicht sehen. Nicht miterleben. Kaum war dieser Gedanke zu ende gedacht, sah ich im rechten Augenwinkel, wie die entzückende Hebamme einen kleinen Haufen aus Handtüchern an mir vorbei trug. Die Tür ging auf, weg war sie. Meine Tochter. Ich hörte keinen Schrei von ihr. Doch ich hatte keine Nerven mich damit auseinander zu setzen. Ich atmete wieder.
Plötzlich ging die Türe wieder auf und das Handtuch wurde mir präsentiert! “Deine Tochter! Schau mal!” Sie hielt sie mir an meine Wange. Ich war zu schwach um sie wirklich zu streicheln. Ausserdem war mir noch immer schlecht. Ich machte meine Augen zu und bat die Hebamme sie wieder raus zu bringen.
Kurz darauf kam sie wieder. Mit einem Foto in der Hand. Auf dem Foto war G. oben ohne, mit unserem Mädi auf seiner Brust. Tränen kullerten links und rechts über meine Backen. Und plötzlich war alles vorbei. Ich wurde in ein neues Bett gehoben und ins Aufwachzimmer geschoben.
Es war überstanden. Ich war so müde. Ich wollte einfach nur schlafen. Aber kurz darauf kam G. mit unserem Mädi in der Hand durch die Türe. Er hatte feuchte Augen, strahlte mich an. Ich glaube er sagte “Danke” zu mir. Er legte sie mir auf die Brust und ich fing wieder zu weinen an. Unser kleines Wunder. Endlich in Armen halten zu können. Sie war gesund. 5 Wochen zu früh, aber gesund. Musste nicht auf die Intensivstation, nicht in den Brutkasten, sie war einfach da. Gekommen um zu bleiben.
Mein Herz platze vor Liebe. Und plötzlich überkam mich die Sehnsucht nach unserem ersten Kind. ich sagte “L. fehlt jetzt hier! Ich hätte so gerne beide Kinder bei mir. In meinen Armen!” … und ich heulte wieder.
Wir verbrachten einige Zeit so im Aufwachraum. Dann durften wir in ein Zimmer. Leider war – wieso oft im AKH – einiges los. Also teilten wir diese Nacht, das Zimmer mit zwei weiteren Neo-Mamis und ihren Babies, getrennt durch Paravents. Ich hatte kaum Schmerzen, dank noch wirkender PDA und einigen Schmermittelinfusionen. Schlafen konnte ich kaum. Da lag ja ein Baby in meinen Armen. Mein, unser Baby. Friedlich und perfekt. Ich konnte nicht aufhören sie anzustarren. Ihr kleines Köpfchen zu streicheln und sie immer wieder anzulegen.
Freitag. Das war ein zacher Tag. Ich bekam nichts zu essen. Nur Wasser zu trinken. Der Katheter schmerzte mich ab dem frühen Vormittag, es wurde mir aber verboten ihn entfernen zu lassen. Meine schlimmste Befürchtung wurde war. Ich hasse Katheter. Hatte bis dato immer nur schlechte Erfahrungen damit und nun durfte ich ihn nicht entfernen lassen. Ich sei zu schwach.
Kurz darauf wurde mir offenbart, dass ich zu viel Blut verloren hatte, meine Werte schlecht waren, ich Blutkonserven benötigen würde. Zumindest mal 2. Ich unterschrieb wieder mal einen Zettel und kurz darauf tropfte das fremde Blut in meinen Körper hinein.
G. war in der Zwischenzeit sich Frühstück holen, telefonieren und mit unserer Kleinen auf der Kinderstation. Meine Mami kam mich besuchen und wischte meine Schmerzenstränen vom Katheter weg.
Ich diskutierte immer wieder. Sie weigerten sich. Er bleibt drin. Ich sei zu schwach. Punkt.
Als es darum ging, mich in ein neues Bett zu heben, damit ich auf mein Zimmer könnte, bat ich, wieder unter Tränen und Schmerzen, den Katheter endlich zu entfernen, damit ich mich selber ins Bett rüber heben könnte. Er blieb drin.
Heulend wurde ich vom 9. in den 15. Stock geschoben. Endlich in mein eigenes Zimmer. Eine entzückende Schwester empfang mich, fragte was los war. Ich erklärte ihr unter Tränen, “der Katheter, er muss raus!!” …
Kurz darauf war er draußen. Ich wollte sie heiraten! DANKE!
5 Minuten danach, stand ich auf. Unter den ärgsten Schmerzen, aber ich stand auf. Setzte mich auf den Sessel in meinem Zimmer, legte sie an und bekam ein frisches Bett. Danach half G. mir wieder in die Dusche, wusch meine Beine, die noch von der OP Blut überströmt waren, zog mir ein frisches Nachthemd an und brachte mich wieder ins Bett.
Die kommenden Tage im Krankenhaus waren anstrengend. Um 8.00 Uhr Früh bekam ich Antibiotika wegen der Blutkonserven. Dazwischen Schmerzinfusionen. Um 20.00 Uhr am Abend wieder und um 0.00 uhr wieder Antibiotika. Ich kam kaum zum Schlafen. Versuchte die Kleine so oft wie möglich anzulegen um alles in Gang zu bringen.
Von Montag auf Dienstag, Nachts, kamen die Schwestern besorgt zu mir ins Zimmer, das Mädi weinte bitterlich, wollte nicht trinken und sie hatte enorm abgenommen. Bei einem Geburtstagewicht von 2.780g eher schlecht. Also bekam sie ein Flaschi und ich saß um 1.30 Uhr mit dem Ferrari unter den Elektrischen Pumpen im Bett und pumpte was das Zeug hilt. 40ml bekam ich von beiden Seiten zusammen. Oida. Aber es war ein Anfang.
Dienstag Vormittag saß ich dann, wieder pumpend, im Bett, heulend, denn die Emotionen wurden von Tag zu Tag intensiver… mein entzückender, andere behandelnde Arzt, Prof. Ulm, kam zu mir und tröstete mich.
Die Kinderschwestern kontrollierten nochmals ihr Gewicht und ich wurde auf eigenen Wunsch entlassen. Endlich nach Hause. Ich konnte keine Nacht mehr im Krankenhaus bleiben. Ich fühlte mich wie ein Tiger, gefangen in einem Käfig.
Kurz darauf stand G. in der Tür. Einen Starbucks Café in der einen Hand. Das Maxi Cosi in der anderen. “I´m taking you home!” Gegen 12 verließen wir dann das AKH. Völlig erschöpft. Kreislauf im Keller, aber glücklich.
Olivia durfte endlich mit uns nach Hause! Da sind wir jetzt. Kuscheln, stillen, schlafen, … soaking it all in! Sie hat zugenommen, trinkt brav und L. ist der stolzeste Bruder den man sich nur vorstellen kann.
… to be continued!